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Paradiesisch im Paradies?

Was ist die Definition von Paradies?

Wikipedia bietet dazu wenig Aufklärung und beschreibt es als eine antike Gartenanlage.
Aber ist es nicht so viel mehr in unseren Köpfen?
Wie oft fühlt man sich wie im Paradies oder betitelt einen Anblick als paradiesisch?
Ist es ein Gefühl oder geht es allein um Optik?
Jeder hat wohl seine eigene Vision und die dazugehörigen Bilder bzw. Erinnerungen vor Augen.

Paradies:
Eine einsame Insel? Türkisfarbenes, kristallklares Wasser rauscht seicht, Hängematten baumeln zwischen den Palmen, tropische bunte Blumen wiegen im Wind, idyllische Bauten, duftende Vegetation, ein Cocktail mit oder ohne Schirmchen (auf jeden Fall ohne Strohhalm!), ein endloser weißer Puderzuckerstrand, oder eine kleine geheime Bucht, atemberaubende Sonnenauf- und Sonnenuntergänge, exotische und köstliche Gerichte, ein Service der einem jeden Wunsch von den Augen abliest und in Nullkommanix geschehen lässt, Verwöhnprogramm ohne einen Finger krumm zu tun, eine überwältigende Aussicht, minimalistische Schönheit oder alles im Überfluss? Alles was das Herz begehrt, was auch immer dafür nötig ist?

Ich behaupte, die Mehrheit empfindet nicht, im Paradies zu leben. Der Alltag ist selten mit paradiesisch zu beschreiben. Die Äußerungen hört man eher an Urlaubsorten und auf Reisen.
Der Ort, den ich gerade mein Zuhause nenne, fällt wohl in die Kategorie Paradies. Es ist paradiesisch.
Eine kleine Sandbank nur unweit von Cancun/ Mexico entfernt.
Natürlich herrscht hier Leben und auch ist der Tourismus bereits mehr als angekommen, aber man muss sich auf besondere Handhabungen einstellen.
Wie so oft an Orten, wie diesen.
*Moskitos und Strandflöhe treiben ihr Unwesen, selbst bewaffnet mit Babyöl und AntiSprays diverser Art ist man machtlos. Die angriffslustigen Viecher erlaben sich an Blut und Haut und hinterlassen eine schmerzlich juckende Kraterlandschaft. Ist man anfällig, hat man keine Chance zu entkommen.

*Es gibt keine einizige asphaltierte Straße und keinen üblichen Verkehr. Es gibt ausschließlich Sandstraßen, mit teilweise sehr hohen Bordsteinkanten, die erst in den letzten Monaten gebaut worden sind. In der hiesigen Regenzeit fällt zeitweise viel Regen in kurzer Zeit, der größtenteils keine Möglichkeit findet abzufließen oder einzusickern. So mutieren die ursprünglichen Wege und Kreuzungen zu tiefen milchigen Wasserstraßen und selbst in Gummistiefeln bleibt ein Fuß nicht immer sicher im Trocknen. Es ist glitschig und matschig. Bei jedem Schritt ist Vorsicht geboten und das perfekte Schuhwerk gibt es nicht.
Barfuss ist nur bedingt angenehm und nicht ganz ungefährlich, im FlipFlop hat man nur selten Halt, außerdem versaut es die Klamotten, im Gummistiefel ist es auf Grund tropischer Temperaturen kaum auszuhalten und ein fester Schuh wird definitiv durchtränkt, weil an irgendeiner Stelle muss man immer durch die Fluten waten. Nicht immer gibt es die Chance einen halbwegs trockenen Rand oder einen Stein zum balancieren ausfindig zu machen. Je länger das Wasser steht, desto unangenehmer wird das Unterfangen, Stromkabel liegen im Wasser, Bakterien, Moskitos, Geruch und diese stetige Luftfeuchtigkeit. Nicht jedermanns Sache.

*Überall sind winzige Miniameisen, die kaum größer sind als ein Hauch von nix. Sie krabbeln schier überall, ich will nicht wissen, wie viele ich schon eingeatmet oder über die Ohren aufgenommen habe. Sie zu bekämpfen ist zwecklos, also findet man besser einen Weg, um miteinander im Einklang zu leben. Schwierig diese Mitbewohner, die sich selbst in Bett und Schrank tummeln.

*Es gibt kein Trinkwasser aus der Leitung, sondern hier wird es in einem zum Beispiel ins Haus geliefert 20 Liter-Kanister für 20 Pesos. Wenn man Glück hat, ist man zu Hause und hört das Hupen. Sonst vergeht gerne eine Woche ohne Wasserversorgung oder man muss schleppen.

*Das Stromnetz funktioniert, mit regelmäßigen Aussetzern.
Dann schwimmt mal eben nicht nur die Straße, sondern auch die Küche, weil dem Kühlschrank die Hitze bekanntlich nicht sonderlich bekommt.
Klospülung sowie Dusche bleiben hingegen trocken. Warum? Ganz einfach. Ein Tank auf dem Dach versorgt die einzelnen Wohnungen in unserem gut situierten Komplex durch eine Pumpe mit Wasser. Ohne Strom demnach auch keine Pumpe und somit kein Wasser in der Leitung.

*Das Internet ist ebenfalls noch nicht ganz in unserem Zeitalter angekommen. Es gibt zwar WiFi-Spots, die aber häufig kaum eine Verbindung ermöglichen. Selbst mit eigener WiFi-Box ist sie eher mit sehr schleppend zu bezeichnen. Die alltägliche Kommunikation läuft immerhin überwiegend reibungslos, aber diverse Onlinetätigkeiten mit dem PC sind herausfordernde Geduldsarbeit. Ich habe es für‘s erste aufgegeben und nutze derzeit ausschließlich mein Telefon. Und es gibt die Tage, an denen geht über Stunden einfach nichts.

*Toilettenpapier gehört nicht in die Toilette. Kennt man bereits aus anderen Gefilden, ist aber immer wieder auf‘s Neue gewöhnungsbedürftig und bedarf seine Zeit, bis es in Fleisch und Blut übergeht und man nicht permanent versucht ist, dass gedankenlos ins Clo geworfene Papier wieder rauszufischen. Seit Jahren lob ich mir unser 3- oder gar 4-lagiges Toilettenpapier. Zum ersten mal geht mir ein Licht auf. Das bewusst gewählte superdünne Clopapier passt durch instabile, dünne Rohre und zersetzt sich besser in der nicht vorhandenen Kanalisation und ist für all diese Regionen und Länder, wo nicht unsere uns selbstverständlichen Kläranlagen angeschlossen sind, zwingend notwendig.

*Es gibt hier keinen überdimensionalen Supermarkt, der einem alle Artikel und Köstlichkeiten bietet, sondern es gibt das nötigste in verschiedenen kleinen Lädchen, nicht alles und nicht immer. Frischeprodukte sind ein Glücksgriff, manchmal ereilt es einen und man ist zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Geschäft und kann zum Beispiel frisches meist tiefgefrorenes Fleisch erhaschen. Obst und Gemüse erfreuen sich selten bester optischer Qualität, aber man nimmt was man bekommt und wird schnell genügsam. Auch hier bedarf es einem Umdenken. Man lernt sehr schnell die sonst alltäglichen und im Überfluss verfügbaren Dinge zu schätzen.

Es gibt keine Post, wie man es kennt. Auch wenn bereits hin und wieder der FedEx Mann gesichtet wurde, hat man besser Kontakte zum Festland und lässt es dann durch einen Mittelsmann mit der Fähre überbringen und holt es bei Ankunft dort ab.

Geld regiert die Welt, so natürlich auch im Paradies Holbox. Nur schwierig wenn stetig der einzige Bankautomat leer ist, der Pesos ausspuckt. Es gibt unzählige weitere ATM, die sich ausschließlich auf den US-Dollar fokussiert haben. Wie man munkelt zu äußerst ungünstigen Bedingungen und on top noch horrenden Gebühren.
Gut, wenn einem ausgeholfen wird!

Schon am ersten Abend habe ich gelernt, entweder man liebt es oder man hasst es.

Dem muss ich glatt widersprechen!

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